- Geschrieben von Jens Müller
Der Winter zieht ins Land und mit ihm der erste Schnee. Doch kaum hat man eine der verlockenden Flocken mit dem Mund gefangen, da wird man auch schon schwanger. Dumm gelaufen, vor allem dann, wenn der eigene Mann sich nicht einmal in der Nähe von besagtem Schnee aufgehalten hat...
In der heutigen Folge von ‚Podcastle‘ diskutieren Nina, Johannes, Jens und Henrik an der Tavelrunde, stillschweigend moderiert von Anna, damit wir uns nicht erneut in stundenlangen Wortspielen verstricken.
Heute geht es um das ‚Das Schneekind‘, ein kurzes mittelhochdeutsches mære aus dem 13. Jahrhundert, das uns in zwei Fassungen überliefert ist, die wir im Folgenden vergleichend vorstellen möchten.
Doch genug der einleitenden Worte. Lasst euch nun in den ersten Teil der befremdlich schönen Erzählwelten des ‚Schneekinds‘ entführen!
Jetzt anhören auf:
Hier könnt ihr selbst einen Blick auf die Märe werfen:
Das Schneekind. In: Grubmüller, Klaus (Hrsg.): Novellistik des Mittelalters. Übersetzt und kommentiert von Klaus Grubmüller. 2. Auflage. Berlin 2014. S. 82-93.
Musikalisches Intro & Outro:
„Bad Romance (Medieval Style Cover)“ by Hildegard von Blingin‘ (YouTube-Link: https://www.youtube.com/watch?v=i2zpbcW-h-c).
- Geschrieben von Nina Röttger
Nur noch ein Tag trennt uns nun von Heiligabend. Doch während gerade im deutlich stärker von Kirche und Christentum geprägten, mittelalterlichen Europa zahlreiche Christen die Geburt Jesu Christi feierten, können viele sicherlich genau so gut die auf dem Bild dargestellte Reaktion nachvollziehen, wenn man wider Erwarten ein Baby in die Hand gedrückt bekommt. In der Hinsicht eröffnet die Illustration eine ganz andere Perspektive auf die Freuden einer jungfräulichen Empfängnis...
- Geschrieben von Nina Röttger
Achja, die schöne Weihnachtszeit. Ein Hauch Besinnlichkeit liegt in der Luft, mit Spezerei- und Amberduft, der aus tiefen Wunden strömt, in denen Liebeslanzen stecken... Moment mal, was?!
Verzeihung, da haben wir uns vor lauter Heiligkeit doch glatt im „Willehalm“ des Wolfram von Eschenbach verloren. In dieser Chanson de geste, in der Orient und Okzident in zwei epischen Schlachten aufeinandertreffen, wird nämlich Vivianz, ein besonders reiner, tapferer Jüngling, von seinem Gegner mit einer Lanze (samt Amor-Banner) durchbohrt. Unangenehm, fast störend, könnte man meinen, doch Vivianz ist Pragmatiker. Er hat bei Hofe offenbar mal gesehen, wie fahrendes Volk „Emergency Room“ aufführte, denn er weiß genau, was in einem solchen Fall zu tun ist:
der helt die banier do gevienc
und gurtez geweide wider in,
als ob in ninder ader sin
von deheinem strite swaere:
der junge lobebaere
Hurte vürbaz in den strit. (Vv. 25,26-26,1.)
(„Der Held zog die Lanze heraus / und band die Eingeweide hoch, / als ob ihn kein Nerv / vom Kampf schmerzte; / der rühmenswerte Jüngling / stürzte sich wieder in die Schlacht.“)
Und so kämpft Vivianz einfach weiter, bis ihn schließlich doch die Lebenskraft verlässt. Doch keine Angst: Der Jüngling ist so sündenfrei, dass ihm das ewige Leben im Himmelreich gewiss ist. Und weil er eine reine und süße Seele hat, duftet auch seine Wunde nicht nach Blut und Tod, sondern nach Amber, Aloe, Spezerei, Spekulatius... ach, ihr wisst schon.
(Das Bild wurde generiert unter: https://www.sp-studio.de/)
- Geschrieben von Jens Müller
Mîne hüeve
durch die wolken sint geslagen,
wir stîgen ûf mit grôzer kraft;
‘z liuhtet rôt im grâwen
nëbeldunst, wir müezen‘z wâgen,
den flug, der grôze vröude schaft!
Ich leite wol den werden man,
der mîne nase „wunder“ hiez.
ich bringe in hinnen, ob ich kan.
sîn vil mánigiu bëte mich daz leisten hiez.
(Original von Wolfram von Eschenbach, zitiert nach „Des Minnesangs Frühling“, XXIV.II:
Sîne klâwen
durch die wolken sint geslagen,
er stîget ûf mit grôzer kraft;
ich sich in grâwen
tegelîch, als er wil tagen:
den tac, der im geselleschaft
Erwenden wil, dem werden man,
den ich mit sorgen în [...] verliez.
ich bringe in hinnen, ob ich kan.
sîn vil mánigiu tugent mich daz leisten hiez.)
- Geschrieben von Jens Müller
“Es war noch früh am Morgen, als König Artus seine Ritter an der Tafelrunde versammelte. In den Kelchen der höfischen Helden dampfte Kaffee, der stärker war als jede Streitmacht; Knappen in prächtigen Gewändern traten heran und servierten prächtige, rotgüldene Cornflakes, geschmiedet aus den besten Cerealien.”
Seid versichert: So wie in diesem (übrigens frei erflunkerten) Beginn eines Artusromans speiste man im Mittelalter am Morgen garantiert nicht. Doch was kam wirklich auf den Frühstückstisch?
Ein Blick auf die höfische Literatur (die nicht-fiktionale Begebenheiten natürlich nicht objektiv widerspiegelt, aber doch von ihnen geprägt wurde und sie im Gegenzug auch prägte) liefert so gut wie keine Hinweise darauf, dass man morgens überhaupt aß. Wenn Damen und Ritter in diesen Erzählungen speisen, dann meist nachmittags oder abends, z.B. beim gemeinsamen Festmahl. Nur Szenen wie die folgende - zitiert aus dem “Erec” des Hartmann von Aue - erinnern zumindest von der Tageszeit her ans moderne Frühstück, wenn auch nicht gerade kulinarisch:
ûf stuont er vil vruo. / mit vrouwen Ênîten er kam / dâ er messe vernam / in des heilegen geistes êre, / und vlêhete got vil sêre / daz er im behielte den lîp. / des selben bat ouch sîn wîp. / [...] / nâch der messe schiet er dan. / dô was der imbîz bereit, / grôz wirtschaft die er alle meit. / deheines vrâzes er sich envleiz: / abe von einem huone er gebeiz / drîstunt, des dûhte in genuoc.
(“Er stand zeitig auf. Mit Enite ging er eine Heiliggeist-Messe hören und flehte Gott inbrünstig an, daß er ihm das Leben bewahre. Das gleiche bat auch seine Frau. [...] Nach der Messe ging er fort. Da war das Essen bereitet, eine stattliche Bewirtung, die er jedoch mied. [...] Von einem Huhn biß er dreimal ab, das schien ihm genug.”)
Führt man die Recherche auf realhistorischer Ebene weiter (und stippt zwischendurch das Schoko-Croissant in den Frühstücksmet), zeigt sich am Beispiel der englischen Esskultur, dass das “breakfast” noch im viktorianischen Zeitalter eben nicht, wie heute, als wichtigste Mahlzeit des Tages galt. Mehr noch: Weil eine morgendliche Stärkung angeblich das in der Nacht vorgeschriebene Fasten brach (“break the fast” - denn Etymologie schadet nie!), nahmen Adelige und Kleriker oftmals erst vormittags etwas zu sich. Körperlich hart arbeitende Bauern o.ä. aßen dagegen in der Frühe, um gekräftigt an die Arbeit gehen zu können. Dabei kam nicht selten Getreidebrei in die Schüsseln - womit wir auch schon wieder beim Anlass dieses Exkurses wären: unserem Video.
Neugierig geworden? Hier alle Angaben zum erwähnten mittelalterlichen Lesestoff:
- Hartmann von Aue: Erec. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung von Thomas Cramer. Frankfurt am Main 1972 (Vv. 8635-8650).
Angenehm zu lesende und gut geschriebene Forschungsliteratur zum Thema:
- Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. 10. Auflage. München 2002. S. 29.
- Weber, Kristin: Wenn Schmalhans Küchemeister ist. Fastenzeit und Fastentage. In: Karfunkel Küche im Mittelalter 4 (2011). S. 30-33.
- Gray, Annie / Hann, Andrew: How to Cook the Victorian Way with Mrs Crocombe. London 2020. S. 166.
- Unb. Verfasser: Esskultur im Mittelalter. (https://de.wikipedia.org/wiki/Esskultur_im_
Mittelalter; letzter Zugriff: 20.11.2020. Anm. d. Zitierenden: Guten Gewissens zitiert, weil es sich um einen wirklich fundiert recherchierten Artikel handelt).
Musikalische Untermalung:
- “Popcorn (Medieval Cover)” by the YouTube-Channel “Middle Ages” (Link zum Channel: https://www.youtube.com/channel/UCW3GABgZGCK68G0JLqN5pNQ).
- “Ich zôch mir einen bûsant (Offizieller Bûsant Titelsong)”. All rights by Henrik Maria Winterscheid und Melanie Alessandra Moog.
- Geschrieben von Jens Müller
Zu dem heutigen Bild muss man eigentlich nicht viel sagen, um es in einem Anflug pubertären Humors mit dem Zertifikat ‚höchst amüsant‘ zu versehen, aber wir wären nicht die Ritter der Schwafelrunde, wenn wir für mehr als fünf Minuten die Klappe halten könnten. Und so kommen wir nicht darum herum, bei diesem Bild einer sog. zagelkatze (nhd. Peniskatze) direkt an einen unserer Lieblingstexte zu denken, und zwar an das Nonnenturnier.
In dieser kurzen Geschichte wird ein Mann dazu verleitet, seinen eigenen Penis abzuschneiden, der fortan ein eigenes Leben führt, das zunächst alles andere als vergnüglich unter der Treppe eines Klostereingangs stattfindet. Dort lebt er bei Regen und Schnee in den Schweinesulen, bis sich schließlich ein paar liebestolle Nonnen seiner annehmen und es zum im Titel versprochenen Turnier um den Penis kommt.
Vielleicht handelt es sich bei unserem Bild ja um eine Art alternatives Ende, bei dem der Penis durch die zagelkatze gerettet wird und die beiden beste Freunde werden, denn wenn uns die Illustration eines deutlich zeigt, dann dass die Katze ihren neuen Freund selbst für den besten Fisch nicht mehr hergeben will. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Happy End!
- Geschrieben von Jens Müller
So ideal die Welt des höfischen Adels in der Literatur des Mittelalters oft erscheinen mag: Gefahren und gemeine Typen lauern hinter jedem Vers. Denn wenn ein Ritter sich beweisen will, muss er ausreiten und âventiure suchen, d.h. den heimischen Prunksaal verlassen und sich - kleine Auswahl - mit höhnischen Gegnern, pöbelnden Riesen, spottenden Pferdedieben und cholerischen Brauträubern herumschlagen.
Und selbst bei Hofe können Rosenblüten, mit denen man die Böden ausstreut, das rauhe Pflaster nicht verbergen: Realhistorisch war „[p]olitischer Mord [...] damals an der Tagesordnung“ (Bumke, Höfische Kultur, S. 11), weshalb es auch in der Literatur ab und an zur Bluttat kommt. Und zu gegenseitigen Beleidigungen erst recht.
Hier ein paar schön-schimpfliche Beispiele aus dem „Nibelungenlied“ und der Crescentia-Episode der „Kaiserchronik“:
ir vil boesen zagen! (NL, V. 989,1)
(Übersetzung: „Ihr gemeinen Feiglinge!)
vil unrainez wîp! (KC, V. 12162)
(Übersetzung: „Äußerst unreines Weib!“
Modernes Äquivalent: „Schlampe!“)
ubeliu hornplâse! (KC, V. 12185)
(Übersetzung: „Üble Hornbläserin [d.h. Hexe]!“)
der gotelaide (KC, V. 12229)
(Übersetzung: „Der, der Gott widerwärtig ist“)
(Bild: Drolerie aus dem Maastricht Book of Hours (BL Stowe MS17). Quelle: Wikimedia, https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Drolleries)
- Geschrieben von Jens Müller
Auch heute geht es tierisch mittelalterlich weiter, wenn wir anhand der folgenden Illustration die Frage beantworten wollen: „Hey Du, Zeichner! Kannst Du auch Pferde malen?“
Hier sagt das Bild auf den ersten Blick mehr als tausend Worte, aber bei vielen Illustrationen aus mittelalterlichen Handschriften steht auch gar nicht die anatomisch und perspektivisch korrekte bzw. realistische Darstellung im Vordergrund, sondern die sogenannte Bedeutungsperspektive. Genauer gesagt: Es wird dargestellt, was wichtig ist und anhand verschiedener Symbole oder Attribute auf zentrale Eigenschaften verwiesen - in diesem Fall z.B. auch darauf, dass es sich bei dem Schlachtross um einen Hengst handelt (Hengste sind aufgrund ihres ruhigeren Charakters bevorzugt als Schlachtrösser eingesetzt worden).
- Geschrieben von Jens Müller
Wie wird Weihnachten mit den Nibelungen zu einem noch schöneren Erlebnis? Die Tavelrunde hat sich Gedanken gemacht und die Antwort auf diese Frage gefunden: Man holt die Figuren ganz einfach von der Textebene ins reale Leben. Und zwar in Form von Cocktails, die man bei Kerzenschein und raschelndem Pergament aus Longdrinkgläsern schlürfen kann. „Bloody Mary meets Kriemhild“, sozusagen. Heute servieren wir folgende (D)Rachenputzer:
Unser Cocktail: „Siegfried“
Zutaten:
2 Teile Gin
Kirschsaft
1 Schuss Zitronensaft
1 Schuss Grenadine
Fruchtgummi-Drachenzunge
Cocktailkirsche
Eiswürfel
Zubereitung:
Ein Drink, der richtig rein(horn)haut! Geben Sie erst Eiswürfel, dann Zitronensaft und Grenadine in ein Glas und passen Sie auf, dass keine Lindenblätter dazwischengeraten. Fügen Sie anschließend den Gin hinzu. Füllen Sie das Ganze mit Kirschsaft auf, bis Sie am liebsten drin baden würden, und dekorieren Sie mit einer Cocktailkirsche (hinterrücks erstochen) und einer Fruchtgummi-Drachenzunge.
Unser Cocktail: „Brünhild“
Zutaten:
2 Teile Wodka
1 Teil Gin
1 Schuss Pfefferminzsirup
1 Schuss Zuckersirup
Tonic Water
Lakritze (salzig)
Eiswürfel
Salz
Zubereitung:
Ein Klassiker der isländischen Ladies Night: Werfen Sie soviel Lakritze, dass zwölf tapfere Ritter sie nicht schleppen könnten, in den Wodka. Während das Ganze durchzieht, verzieren Sie ein Glas mit einer Salzkruste und füllen es mit Eiswürfeln. Anschließend geben Sie den abgeseihten Lakritzwodka, Gin, Pfefferminz- und Zuckersirup hinein, rühren um und füllen mit Tonic Water auf. Nun nur noch mit Lakritze dekorieren, alle aufdringlichen Kerle aus der Bar schmeißen, über die Schulter blicken, lächeln - und genießen!
- Geschrieben von Jens Müller
Wie ihr an den sogenannten Drolerien, die sich oft hinter unseren Türchen verbergen, sehen könnt, war es im Mittelalter nicht unüblich, Manuskripte mit manchmal höchst skurrilen Zeichnungen zu verzieren. Ulkige Mischwesen und Tiere schienen bei den Illustratoren besonders beliebt gewesen zu sein - auch bei jenen, die zu Anfang des 14. Jahrhunderts das „Maastricht Book of Hours (BL Stowe MS17)“ verschönerten. Viele Seiten dieser Handschrift werden z.B. von Affen bevölkert, die allerlei total affentypischen Tätigkeiten nachgehen.
Seht selbst: Affen beim ritterlichen Tjost, Affen beim Flirt mit der Hofdame, Affen beim Musizie... was zum tiuvel?
- Geschrieben von Jens Müller
Nachdem uns der vorherige Tag auf die wilde Reise in den Bereich zwischen wahnsinniger Sammellust (ir müezet si alle vahen!) und fragwürdigen Tierfreundschaften geführt hat, wollen wir uns nun einem in der heutigen Zeit wohl weniger bekannten Duo zuwenden: Iwein, dem Löwenritter und seinem - wer hätte es gedacht - Löwen!
Nachdem Iwein, der zu diesem Zeitpunkt einfach nur Iwein hieß, dem Löwen in einem Kampf gegen einen Drachen beistand, erklärt der Löwe Iwein‚ so gut es einem stummen Tier eben möglich ist, die Freundschaft und folgt diesem danach auf Schritt und Tritt. Mit dem Löwen an Iweins Seite ist keine âventiure unmöglich und der alte Name schon bald abgelegt, denn von nun an kennt man Iwein nur noch als den Löwenritter.
Eine spannende Geschichte, die man auch als Nicht-Mediävist gerne liest. Sei es in neuhochdeutscher Übersetzung oder der Adaption Iwein Löwenritter von Felicitas Hoppe.
(Das Bild wurde generiert unter: https://www.sp-studio.de/)
- Geschrieben von Jens Müller
Auch im Mittelalter wusste man sich bereits mit einer Vielzahl an Spielen zu beschäftigen, seien es Ritterspiele, eine Partie Schach oder eine Runde Pokémon. Letzteres war damals jedoch unter dem Namen taschenungehiure bekannt und wenn man sich den Urururururururgroßvater von Karpador oben links einmal genauer anschaut, setzte dieser vermutlich lieber ‚Klatscher‘ als ‚Platscher‘ ein. Früher war eben nicht nur alles besser, sondern auch oft gefährlicher...
- Geschrieben von Jens Müller
Erinnert Euch an die Geschichte von Tristan, die sich vorgestern hinter dem Türchen unseres Kalenders verbarg: Der Held, der sich im Werk des Gottfried von Straßburg in die schöne Isolde verliebt, ist ein echter Alleskönner und Meister der Maske. In der Fortsetzung Tristan als Mönch wird er zeitweise sogar zu einem ebensolchen. Diese Eigenschaften inspirierten einst gewisse Teile der Tavelrunde, ihn in den erlauchten Kreis der Superhelden zu erheben. Seht selbst!
Ist ez ein ritter?!
Ist ez ein münch?!
Ist ez ein arzât?!
Neinâ... ez ist „Super-Tristan“!
(Nhd.: Ist es ein Ritter?!
Ist es ein Mönch?!
Ist es ein Arzt?!
Nein... Es ist Super-Tristan!)
- Geschrieben von Jens Müller
Als Dame stets in seidenen Gewändern am Fenster stehen, die Männer beim Turnier bewundern, lächeln und dann keusch von dannen trippeln?
Als Ritter ständig nobel handeln, mit vollen Händen rotes Gold verschenken, wegen jeder noch so verrückten Herausforderung zum Kampf brav durchs halbe Land tingeln?
Klingt alles ziemlich anstrengend, finden wir von der Tavelrunde. Kein Wunder also, dass einigen Figuren in der höfischen Literatur des Mittelalters ab und zu mal die halsberge platzt. Und die Ausdrücke, die dann fallen, sind nichts für zarte Ohren.
Hier ein paar schön-schimpfliche Beispiele aus dem Artusroman „Parzival“ Wolframs von Eschenbach:
ir truogt den eiterwolves zan! (V. 255,14)
(Übersetzung: „Ihr tragt den Zahn des Eiterwolfs!“
Modernes Äquivalent: „Du hinterhältiger Sauhund!“)
ir vederangl, ir nâtern zan! (V. 316,20)
(Übersetzung: „Ihr Köderfliege, Ihr Natternzahn!“)
vart hin, ir ribbalt! mûlslege al ungezalt sult ir hie vil enpfâhen, welt ir mir fürbaz nâhen!
(Vv. 360,25ff.)
(Übersetzung: „Packt Euch, Ihr Landstreicher! Wenn Ihr mir noch näher kommt, bekommt Ihr unzählige Schläge auf das Maul!“
Modernes Äquivalent: „Verpiss dich, du Penner! Komm mir nicht zu nahe, oder es gibt was auf die Fresse!“)
gampelher (V. 520,29)
(Übersetzung: „Lumpenpack“)
(Bild: Drolerie aus dem Maastricht Book of Hours (BL Stowe MS17). Quelle: Wikimedia, https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Drolleries)
- Geschrieben von Jens Müller
Festtagstipp: Ideal zum trûte hân (siehe hinter das gestrige Kalendertürchen) passt natürlich Minnetrank. Den genießen auch Tristan und Isolde, als sie auf einem Schiff nach Cornwall fahren, wo Isolde eigentlich einen anderen heiraten soll...
Aber der Reihe nach: Tristan, seines Zeichens Alleskönner und Meister der Tarnung (auf einen Decknamen wie „Tantris“ muss man erstmal kommen!) reist nach Irland, um dort für seinen Onkel, König Marke, die Hand der schönen Prinzessin Isolde zu gewinnen. Die muss am Ende mit ihm reisen, obwohl sie Tristan - der einst ihren eigenen Onkel im Kampf erschlug - zutiefst verabscheut und der Vermählung mit Marke auch nicht gerade mit Begeisterung entgegensieht.
Um Isolde ihr Schicksal zu erleichtern, packt die zauberkundige Mutter ihr heimlich etwas Minnetrank in den Seesack. Den soll eine Dienerin der unwissenden Isolde und ihrem zukünftigen Göttergatten Marke zu trinken geben, auf dass es zwischen den Ehepartnern doch noch gewaltig funke. Doch dummerweise sitzen Tristan und Isolde während der Seefahrt eines Tages auf dem Trockenen und finden ein Fläschchen, das scheinbar harmlosen Wein enthält. Und dann... tja, dann...
Wem das nun alles zu sehr nach „Titanic“ oder „guote zîten, übele zîten“ klingt, dem sei der Wettstreit empfohlen, den die Tavelrunde den Dichter des „Tristan“, Gottfried von Straßburg, mit Konrad von Würzburg austragen ließ, der dem gleichen Thema in seinem „Herzmäre“ ein gänzliches anderes Gewand verlieh.
Hier geht‘s zu den Fotos vom Theaterstück: https://tavelrun.de/tavelrunde/projekt-das-herzmaere
(Das Bild wurde generiert unter: https://www.sp-studio.de/)
- Geschrieben von Jens Müller
Die mittelalterliche Literatur ist nicht nur faszinierend, sie kann manchmal auch ganz schön fremdartig oder gar irreführend sein. Frei nach dem Motto von ‚Misheard Lyrics‘ möchten wir euch heute eine dieser durchaus tückischen Textstellen präsentieren:
Swaz man der werbenden nâch ir minne sach,
Kriemhilt in ir sinne ir selber nie verjach,
daz si deheinen wolde ze eime trûte hân.
er was ir noch vil vremde, dem si wart sider undertân.
- NL Str. 44
In dieser Passage des Nibelungenlieds wird die Abneigung der schönen Kriemhild gegenüber den sie Umwerbenden ausgedrückt, da sie sich selbst nicht eingestehen möchte, dass sie irgendeinen von ihnen als Geliebten haben möchte, oder um es auf mhd. zu sagen, dass sie irgendeinen ze eime trûte hân wollte. So leicht man trûte hân auch als Truthahn lesen könnte und sich fragt, was die Prinzessin mit dem Vogel vorhat, handelt es sich bei hân letztlich doch nur um das Hilfsverb ‚haben‘ und bei trûte um den Geliebten bzw. ein wenig besser nachvollziehbar den Ver- oder Angetrauten.
Wer solch einen Fauxpas vermeiden möchte oder durch die Ausstellung seiner Mittelhochdeutschkompetenzen selbst einen potentiellen trûte beindrucken will sollte sich merken, dass wir es hier mit dem Phänomen der sog. Frühneuhochdeutschen Diphtongierung zu tun haben. Einem Lautwandelprozess, in dem die mhd. Langvokale î, iu und û zu den Diphtongen ei, eu und au werden. Sprich aus mîn niuwes hûs wird ‚mein neues Haus‘. Die Buchstabenkombination iu wird dabei im Mhd. wie ein langes ‚ü‘ ausgesprochen.
Bildquelle: Hundeshagener Kodex, 15. Jhd.
- Geschrieben von Jens Müller
Ob Walther derlei im Sinn hatte, als er einst die ersten Verse seines „Reichstons“ schrieb...?
- Geschrieben von Jens Müller
Wolfram von Eschenbach war - nach modernen Maßstäben und etwas plakativ ausgedrückt - so etwas wie der Bestseller-Autor des 13. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum. Seine literarischen Ausformungen der Erzählungen von Parzival und Willehalm (beide beruhen auf altfranzösischen Vorlagen) machten diese zwei Helden hierzulande weit bekannt. Wolfram nahm sich die Erzählstoffe vor und verwandelte sie in seine ganz eigenen Meisterwerke, die Mediävisten und Mediävistinnen bis heute entzücken.
Darüber hinaus hatte Wolfram aber auch einen ganz eigenen Sinn für Humor. Haarsträubende Wortwitze, flacher als eine geschleifte Burg? Düstere Körperkomik, über die man kaum mehr lachen kann? Kein Problem! Hier ein paar Beispiele:
Im „Parzival“ wird eine Edeldame namens Jeschute zu Unrecht von ihrem Gatten Orilus bestraft, weil sie angeblich mit einem anderen Mann geschlafen hat. Orilus zwingt sie, in der Öffentlichkeit in einem zerfetzten Hauch von Nichts herumzulaufen, was den Erzähler zu folgendem Wortspiel veranlasst:
nantes ieman vilân,
der het ir unreht getân:
wan si hete wênc an ir. (Parzival, Vv. 257,23ff.)
(„Wollte sie jemand vîlan [vîlan = „Bäuerin“, Gegenteil von Edeldame; aber auch: „jemand, der viel an hat“!] nennen, so hätte er ihr Unrecht getan: Denn sie hatte ja nur wenig an.“)
Außerdem versteht Parzival den Unterschied zwischen „Ritter“ (als Status eines Adligen) und „Reiter“ (auf einem Pferd) nicht, als er von seinem Lehrmeister Gurnemanz dazu angehalten wird, von seinem Pferd zu steigen:
dô sprach an dem was tumpheit schîn
„mich hiez ein künec [gemeint: Artus] ritter sîn:
swaz halt drûffe mir geschiht,
ine kum von disem orse niht.“ (Parzival, Vv. 163,21-24)
(„Da sprach der, an dem man tumpheit wahrnehmen konnte: ,Mich ließ ein König Ritter sein: Was auch immer mir darauf [auf meinem Pferd] geschehen soll, ich werde niemals absteigen!‘“)
Im „Willehalm“ dagegen führt Wolfram die Unmenge an Edelsteinen, mit denen sich König Poydjus und seine Truppen für den Kampf herausgeputzt haben, mithilfe des morbiden Bilds von einer explodierenden Ente ad absurdum:
nu seht, ob vunde ein antvogel
ze trinken in dem Bodemse,
trünkern gar, daz taet im we. (Willehalm, Vv. 377,4ff.)
(„Nun schaut, wenn ein Enterich im Bodensee etwas zu trinken fünde, wenn er ihn ganz und gar austrünke - das täte ihm nicht gut!“)
Bildquelle: Codex Manesse, UB Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848, fol. 149v: Herr Wolfram von Eschenbach
- Geschrieben von Jens Müller
Nû sint diu edelen nasen rôt.
vil trunken sô naschen wir süezes brôt.
wir trinken im tranchûs, nû smaehen daz brôt
uns smacket der süeze tranc sô rôt.
Nû wermet den tranc durchliuhtec rôt.
sus glüen diu nasen, wir ezzen kein brôt.
sus trinken wir noch ân vleisch, ân brôt
und loben wîn und sinopel rôt.
(Original aus dem „Tristan“ Gottfrieds von Straßburg, Vv. 233-240:
Deist aller edelen herzen brôt.
hie mite sô lebet ir beider tôt.
wir lesen ir leben, wir lesen ir tôt
und ist uns daz süeze alse brôt.
Ir leben, ir tôt sint unser brôt.
sus lebet ir leben, sus lebet ir tôt.
sus lebent si noch und sint doch tôt
und ist ir tôt der lebenden brôt.)
Da ein Prolog ja quasi das Vorglühen vor der eigentlichen Erzählung ist, lässt die Tavelrunde Gottfried den Becher heben und wünscht einen frohen zweiten Advent!
- Geschrieben von Jens Müller
Es sind bereits fünf Adventstage ins Land gezogen und vermutlich hat sich noch niemand das Folgende gefragt: Wenn es einen Tavelrunden-Adventskalender gibt, muss es folglich auch eine Tavelrunde geben. Aber wo kommt die Tavelrunde eigentlich her? Sollte sie nicht schon immer existiert haben, muss sie wohl irgendwann gebaut worden sein. Aber von wem? Hier kommt nun endlich die Auflösung dieses Mysteriums!
- Geschrieben von Jens Müller
Je nachdem, welche Themen zu Weihnachten an der Tafel aufkommen, braucht man ein ziemlich dickes Fell. Das hat auch Siegfried von Xanten, der Held des „Nibelungenliedes“. In seiner Jugend ritt dieser kühne Prinz alleine durch die Wildnis und traf dort auf einen Drachen. Natürlich konnte Siegfried das Untier besiegen; ja, er hatte sogar noch die Muße, eine kleine Wellness-Pause einzulegen, wie Hagen von Tronje zu berichten weiß:
Noch weiz ich an im mêre, daz mir ist bekant.
einen lintrachen den sluoc des heldes hant.
er badet‘ sich in dem bluote: sîn hût wart húrnîn.
des snîdet in kein wâfen; daz ist dicke worden scîn. (Str. 100)
(„Ich weiß noch mehr von ihm, was mir zu Ohren gekommen ist. Einen Drachen hat der Held erschlagen. Er badete sich in dem Blute, und daraufhin hat er eine Hornhaut bekommen. Deshalb verwundet ihn keine Waffe, wie sich schon oft gezeigt hat.“
Wer also fest mit Stress beim Fest rechnet, kann es Siegfried gleichtun. Oder - und das empfiehlt die Tavelrunde zum Schutze aller Drachen - er bzw. sie kann bei der Lektüre des „Nibelungenliedes“ entspannen. Mithilfe der 2379 Strophen, in denen es bis zum letzten Vers spannend (und blutig!) bleibt, kommt man garantiert durch jeden harten Winter.
(Das Bild wurde generiert unter: https://www.sp-studio.de/)
- Geschrieben von Jens Müller
Seid ehrlich: Wonach fragt man häufig, wenn man zum ersten Mal in Kontakt mit einer neuen (oder, wie in unserem Fall, alten) Sprache kommt? Neugierig, heimlich, hinter vorgehaltener Hand? Richtig - nach den richtig fiesen Ausdrücken!
Obwohl die mittelalterliche Literatur größtenteils von edlen Rittern und züchtigen Damen bevölkert wird, die sich natürlich immer vorbildlich benehmen (naja...), kann auch sie uns lehren, wie man jemandem verbal so richtig einen vor den harnasch knallt. Und zwar auf Mittelhochdeutsch, der Sprache, die - ganz grob gesagt - hierzulande das Hochmittelalter prägte.
Hier ein paar schön-schimpfliche Beispiele aus dem Artusroman „Erec“ Hartmanns von Aue:
lâ dîn klaffen sîn! (V. 83)
(Übersetzung: „Lass das Schwätzen sein.“
Modernes Äquivalent: „Schnauze halten!“)
der sunnen haz (V. 94)
(Übersetzung: „Du Abscheu der Sonne“)
übel hût (V. 6524)
(Übersetzung: „Böse Haut“, gegenüber Frauen gebraucht.
Modernes Äquivalent: „Blöde Zicke“)
tumber gouch (V. 9044)
(Übersetzung: „Dummer Trottel“, gegenüber Männern gebraucht)
(Bild: Drolerie aus dem Maastricht Book of Hours (BL Stowe MS17). Quelle: Wikimedia, https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Drolleries)
- Geschrieben von Jens Müller
Wenn das Geigensolo so gut ist, dass du dich in einen Zwiebelring verwandelst.
- Geschrieben von Jens Müller
Vielleicht habt ihr euch schon gefragt, was wir in den letzten Monaten gemacht haben. Vielleicht auch nicht, aber wir wollen es heute trotzdem von den Zinnen rufen: Wir haben den Versuchungen des verligens widerstanden, uns tapfer und mutig an die neuen Gegebenheiten angepasst und ein neues Projekt gestartet: Podcastle!
Und was wäre ein passenderer Anlass, um die erste Folge unseres Podcasts zu veröffentlichen, als das erste Türchen unseres Adventskalenders?
Wir wünschen euch viel Spaß mit Nina, Jens, Johannes, Anna und dem „Begrabenen Ehemann“!
Wollt ihr wissen, wie man einen Ehemann am besten in die Kiste bekommt?
Die Hausmärchen der Gebrüder Grimm können Euch das nicht verraten. Ein Blick in die mittelalterliche Märendichtung kann uns jedoch weiterhelfen. Dort finden wir anstelle von verliebten Prinzen lüsterne Priester, die es nicht auf schöne Jungfrauen in drachenbewachten Turmzimmern abgesehen haben, sondern auf gelangweilte Ehefrauen in der dörflichen Scheune.
Wenn ihr mehre über diz vremde maere erfahren wollt, dann hört jetzt genau zu, denn in der heutigen Folge von Podcastle diskutieren und fabulieren wir über das Märe ‚Der Begrabene Ehemann‘ vom Stricker.
Jetzt anhören auf:
- Geschrieben von Nina Röttger
Wir hatten letztes Jahr bereits festgestellt, dass in der Advents- und Weihnachtszeit jede*r an etwas anderes denkt: Die einen an Kekse, Weihnachtsmärkte, Geschenke, Kerzen, Lichter, Tee, den ersten Schnee und Süßigkeiten, die anderen eher (oder zumindest auch) an gefährliche Drachen, tapfere Ritter und holde Damen.
„Die anderen“, das sind in diesem Fall wir, die Tavelrunde. Wir haben sehr viel Mittelalter im Kopf und wollen euch auch dieses Jahr wieder ein bisschen davon in einem Adventskalender zeigen. Wie beim letzten Mal gibt es eine bunte Mischung aus kreativem Blödsinn, kulinarischen Highlights, mittelalterlichen Memes und alten sowie neuen Projekten. Seid gespannt!
Viel Spaß mit unserem diesjährigen Adventskalender auf der Homepage, Facebook und Instagram wünscht: Die Tavelrunde.