“Es war noch früh am Morgen, als König Artus seine Ritter an der Tafelrunde versammelte. In den Kelchen der höfischen Helden dampfte Kaffee, der stärker war als jede Streitmacht; Knappen in prächtigen Gewändern traten heran und servierten prächtige, rotgüldene Cornflakes, geschmiedet aus den besten Cerealien.”
Seid versichert: So wie in diesem (übrigens frei erflunkerten) Beginn eines Artusromans speiste man im Mittelalter am Morgen garantiert nicht. Doch was kam wirklich auf den Frühstückstisch?
Ein Blick auf die höfische Literatur (die nicht-fiktionale Begebenheiten natürlich nicht objektiv widerspiegelt, aber doch von ihnen geprägt wurde und sie im Gegenzug auch prägte) liefert so gut wie keine Hinweise darauf, dass man morgens überhaupt aß. Wenn Damen und Ritter in diesen Erzählungen speisen, dann meist nachmittags oder abends, z.B. beim gemeinsamen Festmahl. Nur Szenen wie die folgende - zitiert aus dem “Erec” des Hartmann von Aue - erinnern zumindest von der Tageszeit her ans moderne Frühstück, wenn auch nicht gerade kulinarisch:
ûf stuont er vil vruo. / mit vrouwen Ênîten er kam / dâ er messe vernam / in des heilegen geistes êre, / und vlêhete got vil sêre / daz er im behielte den lîp. / des selben bat ouch sîn wîp. / [...] / nâch der messe schiet er dan. / dô was der imbîz bereit, / grôz wirtschaft die er alle meit. / deheines vrâzes er sich envleiz: / abe von einem huone er gebeiz / drîstunt, des dûhte in genuoc.
(“Er stand zeitig auf. Mit Enite ging er eine Heiliggeist-Messe hören und flehte Gott inbrünstig an, daß er ihm das Leben bewahre. Das gleiche bat auch seine Frau. [...] Nach der Messe ging er fort. Da war das Essen bereitet, eine stattliche Bewirtung, die er jedoch mied. [...] Von einem Huhn biß er dreimal ab, das schien ihm genug.”)
Führt man die Recherche auf realhistorischer Ebene weiter (und stippt zwischendurch das Schoko-Croissant in den Frühstücksmet), zeigt sich am Beispiel der englischen Esskultur, dass das “breakfast” noch im viktorianischen Zeitalter eben nicht, wie heute, als wichtigste Mahlzeit des Tages galt. Mehr noch: Weil eine morgendliche Stärkung angeblich das in der Nacht vorgeschriebene Fasten brach (“break the fast” - denn Etymologie schadet nie!), nahmen Adelige und Kleriker oftmals erst vormittags etwas zu sich. Körperlich hart arbeitende Bauern o.ä. aßen dagegen in der Frühe, um gekräftigt an die Arbeit gehen zu können. Dabei kam nicht selten Getreidebrei in die Schüsseln - womit wir auch schon wieder beim Anlass dieses Exkurses wären: unserem Video.
Neugierig geworden? Hier alle Angaben zum erwähnten mittelalterlichen Lesestoff:
- Hartmann von Aue: Erec. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung von Thomas Cramer. Frankfurt am Main 1972 (Vv. 8635-8650).
Angenehm zu lesende und gut geschriebene Forschungsliteratur zum Thema:
- Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. 10. Auflage. München 2002. S. 29.
- Weber, Kristin: Wenn Schmalhans Küchemeister ist. Fastenzeit und Fastentage. In: Karfunkel Küche im Mittelalter 4 (2011). S. 30-33.
- Gray, Annie / Hann, Andrew: How to Cook the Victorian Way with Mrs Crocombe. London 2020. S. 166.
- Unb. Verfasser: Esskultur im Mittelalter. (https://de.wikipedia.org/wiki/Esskultur_im_
Mittelalter; letzter Zugriff: 20.11.2020. Anm. d. Zitierenden: Guten Gewissens zitiert, weil es sich um einen wirklich fundiert recherchierten Artikel handelt).
Musikalische Untermalung:
- “Popcorn (Medieval Cover)” by the YouTube-Channel “Middle Ages” (Link zum Channel: https://www.youtube.com/channel/UCW3GABgZGCK68G0JLqN5pNQ).
- “Ich zôch mir einen bûsant (Offizieller Bûsant Titelsong)”. All rights by Henrik Maria Winterscheid und Melanie Alessandra Moog.