Es war die Nachtigall... – Lust und Liebe im ,Lindenliedʻ –
- Geschrieben von M. Alessandra Moog
Walther von der Vogelweide sticht durch die Fülle seines Werks neben anderen Minnedichtern hervor. Sein um 1200 verfasstes Minnelied Under der Linden findet sich in der Großen Heidelberger Liederhand- schrift aus dem 13. Jh., auch Codex Manesse genannt. Hierin vereint sich eine Vielzahl mittelhochdeutscher lyrischer Texte. Bei Walthers bekanntem vierstrophigen Minnelied Under der linden handelt es sich um ein sogenanntes Mädchen- oder Frauenlied. In diesem erinnert ein weibliches lyrisches Ich eine geheimzuhaltende Liebesvereinigung in freier Natur, auf einem Bett aus Blumen und Gras, die nur eine Nachtigall hat beobachten dürfen.
Seht euch meinen roten Mund an, meine glühenden Wangen! Wir blieben gänzlich ungesehen, nur die Nachtigall sang ihr tandaradei. Ob wohl jemand, der des Weges kommt, bemerkt, dass die Blumen und das Gras unter dem Lindenbaum gebrochen sind? Nun, was mag derjenige sich dabei wohl denken...?
Wenn die Pferde durchgehen – Enite und Erec auf âventiure-Ritt
- Geschrieben von M. Alessandra Moog
Der Erec Hartmanns von Aue wurde als erster Artusroman deutscher Sprache um 1185 verfasst. Er handelt vom gleichnamigen Helden Erec, der die schöne Enite zur Frau gewinnt, im Liebesglück allerdings seine Herrscherpflichten vernachlässigt. Um diesen Fehler zu bereinigen, begibt sich das Liebespaar gemeinsam auf âventiure und besteht eine Reihe gefährlicher Verwicklungen. Erbost, u.a. über die vermeintliche Treulosigkeit Enites, verbietet Erec seiner Gattin den Mund und degradiert sie zum Pferdeknecht. Erst mit dem Ende des Abenteuerritts und zahlreichen Liebesbeweisen durch Enite findet die Versöhnung statt – mit einem prächtig geschmückten Edelross, das Enite zum Geschenk erhält.
Ein schallender Peitschenhieb aus der Hand des ungehobelten Zwerges Maledicur – damit wird die âventiure des Erec eröffnet. Der Hieb mit der Peitsche also, der normalerweise einen Gaul zum Laufen bringen soll, trifft sowohl Ginovers Hofdame als auch den unbewaffneten Protagonisten Erec schändlich und treibt den discours dieses höfischen Artusromans überhaupt erst an. Peitschenhiebe, streitende Ritter auf ihren Pferden, der gefährliche Abenteuerritt eines Ehepaares, ein ungewöhnlicher (weiblicher) Pferdeknecht und magische Pferdegeschenke – mit dem Erec verfasst Hartmann von Aue, nach der Vorlage von Erec et Enide des Chrétien de Troyes, eine Erzählung, durch die sich die Pferdethematik als bedeutender Topos zieht...
A walk on the wild side – Wigalois beim wilden wîp
- Geschrieben von M. Alessandra Moog
Der um 1210/1220 entstandene Wigalois Wirnts von Grafenberg ist, nach dem Parzival Wolframs von Eschenbach, einer der am stärksten überlieferten Artusromane des Mittelhochdeutschen. Der Held Wigalois besteht hierin eine Reihe von Bewährungsabenteuern, âventiuren, um so das Land einer schönen Königstochter namens Larie aus der Hand des heidnischen Usurpators Roaz zurückzuerobern. Mit dem erhofften Bestehen dieser Quest will sich Wigalois den Anspruch auf eine Vermählung mit Larie sichern.
Unter dem Einfluss des düsteren Roaz ist Laries angestammtes Reich Korntin zu einer bedrohlichen Anderswelt geraten:
Ein Drache und manch andere unliebsame Gestalt treiben in dem einst florierenden Reich ihr Unwesen. Mit Zaubergegenständen ausgerüstet betritt Wigalois diese verwilderte und verfluchte Welt, ein Grenzübertritt in eine verschreckende Anderswelt. Eine Episode jener Grenzerfahrung bildet Wigaloisʼ Begegnung mit dem wilden Waldwesen Ruel – halb Tier, halb Frau haust die aggressive Ruel in einer Höhle inmitten der Wildnis und bereitet dem Helden ernsthafte Probleme: Die wilde Kreatur überwältigt den sonst so siegessicheren Helden und fesselt ihn.
Wigalois bangt ernsthaft um sein Leben, als dieses in den wenig vertrauenerweckenden Klauen der Waldgestalt liegt – insbesondere in dem äußerst sensiblen Moment, als Ruel mit seinem eigenen Schwert in der Luft zu schwingen beginnt, in der offensichtlichen Absicht, den Gefesselten im nächsten Moment zu enthaupten...
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