- Geschrieben von Henrik Winterscheid
Der letzte Versuch der tavelrundaere, eine Burg zu erobern, fiel wie das sprichwörtliche Kind in den Brunnen – nur, dass es sich bei jenem Brunnen um das dicke Butterfass ‚Albert‘ handelte, den Bergfried der Marksburg (siehe dazu: https://tavelrun.de/13-content/tavelrunde/25-die-zweite-exkursion-oder-fuenf-freunde-erobern-die-marksburg). Als die wackeren Maiden und Recken nach Wochen der Resignation Wind von der ebenso sagenumwobenen wie prallen Schatzkammer der Burg Eltz bekamen, konnten sie sich aber nicht erwehren; aus dem Wind sollte ein Sturm werden, eine erneute Eroberung - nur 22 Kilometer Luftlinie von der alten Destination. Ad eltze!
Unter der Kuppel des Hauptstalles deutscher Stahlrösser in Bona sammelten sich die tavelrundaere mit weiteren Kampfgenossinnen und -genossen, die für das Vorhaben angeheuert hatten. Zunächst sollte es via Pferdomobil gen Mosel-Einöd Wierschem gehen und von dort aus weiter zu Fuß. Aber wie war das noch gleich? Burg Eltz? Oder Elze? Oder Elz? Eller, gar Else? Eigentlich sind alle Schriftbilder korrekt! Der Begriff ‚Eltz‘ wurzelt in der keltischen Bezeichnung für die (Schwarz-)Erle. Wie im Hochmittelalter üblich, benannte sich auch das Geschlecht der Eltzer nach der Örtlichkeit, an der es siedelte: Ein Bach, der in den Erlen quellt, der Elzbach (hier mit ohne ‚t‘!), an dessen Ufern sie im 12. Jahrhundert ihren burgischen Stammessitz errichteten. Und auch heute sind ‚Eller‘ und ‚Else‘ noch gängige Bezeichnungen für jenen Laubbaum.
Doch zurück zu unseren Glücksrittern: Denn wie es sich für ein echtes Abenteuer gehört, forderte sie das Schicksal gleich zu Anfang heraus. Ein seltsam anmutender Automat – vermutlich eine machina magica – verwehrte ihnen jenes Papyrus, das nötig sei (so zumindest sagte man ihnen), das Stahlross zu bereiten. Erst als es bereits mit quietschenden Hufen hielt und schon wieder zum Aufbruch scharrte, konnten die tavelrundaere den Apparat entschlüsseln und das Stahlross, wie einst die Achäer das Pferd zu Troja, betreten.
Kaum waren sie im Inneren, erwartete sie die nächste Quest. Immer wieder versuchten sie dem metallenen Gaul die Sporen zu geben, denn permanent hielt er an! Und weil er auf Biegen und Brechen nicht gehorchen wollte, mussten sie sich wohl oder übel damit begnügen, dass es sich wohl einfach um einen hinkenden Montagsgaul handle und auch damit, dass ihr ausgetüftelter Zeitplan alsbald ebenfalls hinken würde – und zwar hinterher. Selbst nachdem zu Coblenz umgesattelt wurde, änderte sich nichts - auch dieses Ross blieb stur wie ein Esel. Etwas Trost spendete der Ausblick: Die Mosel schlängelte sich malerisch durch ein romantisches Weinberg-Panorama und die Burgen links und rechts ließen von bevorstehenden Heldentaten träumen.
Endlich im Örtchen Moselkern angekommen, waren die tavelrundaere froh wieder auf eigenen Sohlen zu stehen. Der possierliche Ort wartete mit weinbewachsenen Häuschen auf; hie und da blitzte Schalk von den Fassaden – natürlich passend zum weinschwangeren Moselgebiet. Kostprobe? Bitte:
"Mein lieber Gast, laß dich nieder, mache Rast.
Bei Bier und Wein, bring Glück herein.
An der Mosel und an Rhein,
trinkt man den guten Wein."
Oder:
"Hätte ich einen Weinberg, würde ich ihn 'Hang zum Alkohol' nennen."
(Fußweg durch das Örtchen Moselkern)
So manches Schmunzeln begleitete die stapfenden Abenteurer durch Moselkern, erinnerten sie sich bei solch närrischem Schwank doch allzu gerne an der Schildbürger Streiche und den König aller Narren, Dil Ulenspiegel. Aber eine Burg wollte erobert werden und das Zeiteisen schlug ja bereits gegen sie - Eile war also geboten. Aber Halt! Selbstredend musste noch eine kleine, wie gänzlich natürliche Selbst-Fotografie unternommen werden – kurz: Selbstfie. Einmal Lächeln, bitte!
(‚Selbstfie‘ der fast vollständigen Runde)
(Mahnschild: Der „Schwätz-Platz“)
Am Ende des Örtchens passierten die rundaere den ‚Schwätz-Platz‘ – ein Mahnmal, wie es schien: „Der Worte sind genug gewechselt!“, genug der ulenspiegel’schen Schwatzerei!
So machten sie sich im Gang daran, die topografischen Gegebenheiten der langsam ansteigenden Ebene am Elzbach auszuloten. Aus der Vegetation konnte sicher ein Vorteil für ihr Vorhaben gewonnen werden...dachten sie. Eines sahen sie an dem lustig plätschernden Nass zuhauf: Bäume. Und welche Gattung spielte noch gleich eine ganz besondere Rolle? Richtig! Die Else, äh, Erle!
In Pommern geht die Sage um, der Teufel habe eine Erlenkeule geschwungen, um seine Großmutter damit zu töten. Das Blut aus der armen Frau Kopfwunde tropfe seither aus den Ästen und Stämmen der Erle, wenn man sie anschneidet. Da fragt man sich doch glatt: Wer schreitet so früh durch solch fruchtbar‘ Erlen-Aue und Wind? Was sind denn das für Holzköpfe? Ja, auch hërre Goethe benannte sein berühmtes Gedicht nach jenem mysteriösen Baum, mit dem unsere Helden konfrontiert wurden – und das auch noch falsch! Er kupferte bei J. G. Herder ab, der den ‚Ellerkonge‘ fälschlich als ‚Erlenkönig‘ übersetzte, obwohl eigentlich der ‚Elfenkönig‘ gemeint war. Zumindest wusste dieser aber - wie zu Anfang gesehen - um die verschiedenen Bezeichnungen der Erle.
In der Folklore ist die Erle Manifestation böser Geister. Das Erlenweib zum Beispiel lockt in nebelverhangene Moore und lässt niemanden ziehen, ehe der letzte Atem ausgehaucht ist. Nicht umsonst gibt es das Sprichwort "Erlenholz und rotes Haar/ sind auf gutem Boden rar!". Aber einen echten Heros von tavelrunden vermögen solche Spukgeschichten nicht zu schrecken…oder zumindest nur ein klitzekleines bisschen…und um Johann Wolfgang noch einmal zu zitieren und dieses schaurige Kapitel schnell hinter uns zu lassen: „Lasst […] auch endlich Taten seh’n!“ Weiter geht’s!
Ein Herz gefasst, schritten die Hasardeure auf diesen Wegen tapfer weiter. Auf und ab, über Stock und Stein, vorbei an gähnenden Schluchten, bis – das Wetter umschlug. Regentropfen, sicherlich von der Größe von Kanonenkugeln, schlugen auf ihre Rüstungen ein. Wehe den armen Knappen, die bei Heimkehr mit Hämmerchen, Öl und Politur die Panzer würden wiederherrichten müssen! Ein rundaere rief gegen den Schlagregen an, dass er von einer Burg, direkt hinter der nächsten Biegung wisse, die Unterschlupf gewähren könne.
Und es war nicht irgendeine Burg, denn sie waren nicht die Ersten, die begehrten die Burg der Eltzer einzunehmen. Bereits der Kurfürst Balduin von Trier war ganz drauf erpicht seine Macht auch auf Burg Eltz auszuweiten, war sie doch ein wichtiger Verbindungspunkt zwischen der Mosel und dem fruchtbaren Münstermaifeld. Balduin ließ diese folglich belagern und – scheiterte, zumindest zunächst. Als Reaktion auf sein Scheitern errichtete er die ‚Trutzeltz‘ oder auch ‚Balduineltz‘ genannte Burg, nur 230 Meter von der der Eltzer entfernt. Dieses Druckmittel bewirkte schließlich, dass Johann von Eltz einen Sühnvertrag unterzeichnete. Balduin hatte nun doch gewonnen. Aber selbst er, einer der mächtigsten Männer seiner Zeit, vermochte es nicht, das Bollwerk einzunehmen – was uns wieder zurückführt: Niemals wurde Burg Eltz gewaltsam genommen – bis jetzt, dies oblag den tavelrundaeren!
Sie taten den letzten Schritt um die Biegung und wie sie sahen – sahen sie nichts. Keine Trotz-Burg, in deren Gemäuer sie würden dem Wetter trotzen können. Und wie sie sich so in der regenverhangenen Gegend umschauten, hatten sie auch nicht die leiseste Ahnung, wo sie nun eigentlich waren. Das Vorhaben stand wie sie vor einem weiteren Abgrund. Konsterniert kramten sie zur typologischen Deutung ihres Unterfangens mappae mundi und die ein oder andere portulane in der Hoffnung heraus, sie würde ihnen den Weg weisen. Doch der Strom des Regens ließ die Bilder und Buchstaben der kostbaren Karten verlaufen und mit der Schrift verwischte auch der Heldenmut zur Unkenntlichkeit. Mit hängenden Köpfen versuchten sie kaum mehr gegen den Regen anzukämpfen, waren kurz davor sich ihm zu ergeben und den Rückzug anzutreten. Doch als hätte der göttliche Logos seine ausgleichende Macht beweisen wollen, fanden sich die Mannen und frouwen, nach einigen Schritten mit den eigenen, an einem Fuße wieder – an dem Fuße einer Burg. Und es war nicht Trutzeltz, nein! Es war Burg Eltz daselbst! Zwar von der gänzlich anderen Seite, als ihr getüftelter Plan es eigentlich vorgesehen hatte, aber Eltz ist Eltz, sehet selbst:
(Überraschungsmoment: Burg Eltz aus der Froschperspektive)
Bei diesem Anblick kehrte mit den Kräften in die Glieder der tavelrundaere auch die Sonne an das Firmament zurück. Ihr Mut erstarkte und ein schelmisches Grinsen schlich sich auf alle Lippen. Fast waren sie da, das Ziel ganz nah! Von dem unverhofften Ereignis derart beflügelt preschten sie den Pfad entlang und hechteten weiter über eine kleine Brücke, ignorierten das Luftschnappen einiger Kumpaninnen und Kumpanen, um schließlich eine nicht gerade kleine Wehrtreppe im Spurt zu nehmen und – dort stand sie in ihrer ganzen Erhabenheit: Burg Eltz, Aug in Aug mit den tavelrundaeren. Der Sturm begann.
(Brückenaussicht: Burg Eltz von Norden)
…was die Helden der tavelrunde in den alten Gemäuern von Eltz vorfanden und ob und wie sie die Burg erobern konnten, erfahrt ihr in der Eroberung zweiter Teil!
Post scriptum
Für die wahrheitsgetreue Wiedergabe wird seitens des Autors keinerlei Gewähr übernommen. Kleine Einstreuungen von Fiktion und Überschneidungen historischer Authentizität sind möglich. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihren lokalen Mediävisten-Bund.
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