18 Der Herre der Fliegen
- Geschrieben von Jens Müller
Nicht nur die aventîuren waren damals größer und gefährlicher, nein, selbst die heute so harmlose Stubenfliege hatte im Mittelalter vil vreislîche Vorfahren. Da bedarf es schon einmal der Hilfe eines tapferen Recken wie Siegfried, um der Tiere Herr zu werden. Wer eigenhändig einen ganzen Wald leerjagen kann, kommt auch mit dieser Bedrohnung zurecht.
(Siegfried bedeckt eine Riesenfliege mit seiner Tarnkappe. Aus den Augen, aus dem Sinn. Wie gut das funktioniert, haben wir ja bereits im Nibelungenlied gesehen.)
Bei dem hier gezeigten Herren handelt es sich natürlich nicht wirklich um Siegfried, sondern um eine namenlose Figur in einer der zahlreichen Drolerien des sog. Maastricht Book of Hours (BL Stowe MS17), das vor allem für seine Darstellungen von Tieren und Halbtieren berühmt geworden ist. Ein Blick auf die Abbildungen des Kodex lohnt sich! Ihr findet diese z.B. in der umfangreichen Drolerien-Sammlung auf Wikimedia: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Drolleries
17 Aventîure: die Tavelrunde auf der Marksburg
- Geschrieben von Jens Müller
Mediävistik wird nicht nur in der Bibliothek, begraben unter staubigen Reclam-Ausgaben und Handschriften, betrieben. Wie die echten Ritter der Tavelrunde begeben wir uns des Öfteren auf aventîure - so zum Beispiel im letzten Winter, als wir die Marksburg (Rheinland-Pfalz) erstürmten. Lest im folgenden Exkursionsbericht von allerhand Heldentaten!
Die zweite Exkursion oder: Fünf Freunde erobern die Marksburg
Als eine kleine Delegation der Tavelrunde im beschaulichen Örtchen Braubach aus dem Nahverkehrs-Dampfross in die Januarkälte stolperte, verhüllte dichter Nebel die Zinnen der Marksburg.
Die Höhenburg mit dem charakteristischen Verputz in Weiß und Rot ist die einzige ihrer Art am Rhein, deren wesentliche Bausubstanz über die Jahrhunderte hinweg nie zerstört wurde. Beinahe unangreifbar thront sie auf der Spitze eines etwa hundertfünfzig Meter hohen Felskegels. Die ersten Dokumente, die die Existenz der Marksburg belegen, werden auf 1238/39 datiert; etwa aus dieser Zeit stammen auch die ältesten Gebäude der Burg: der Bergfried, der romanische Palas und die Kapelle.
Bei der Planung einer neuerlichen Exkursion stand für die tavelrundaere recht schnell fest: Dieses Bauwerk wird gestürmt!
Und so machte sich ein wieder einmal etwas dezimierter Stoßtrupp (Exkursionen im Winter – ah, diz ist guot!) auf, die Marksburg im Namen der Tavelrunde einzunehmen. Viel Angriffsfläche bot das Ziel leider nicht. Wie sollten die Maiden und der Recke also vorgehen? Sie überlegten, die steilen Felswände zu erklimmen, doch niemand wollte sich den Hals brechen. Jemand schlug vor, sich in der Schwachstelle des ansonsten gut gesicherten Rittersaales – der an der Außenwand angebrachten Latrine – auf die Lauer zu legen. Aber leider hatten schon die mittelalterlichen Burgherren mit einem solchen Manöver gerechnet und die Tür der Latrine nicht, wie heute üblich, von innen, sondern von außen mit einem Riegel versehen.
Schließlich entschlossen sich die Helden, an einer Führung teilzunehmen.
Hier der Link zum Weiterlesen:
16 Hartmann von Aue
- Geschrieben von Jens Müller
her hartman vo owe heißt es über dem ungewöhnlichen, aber deshalb umso eindrucksvolleren Autorenbild des berühmten Dichters Hartmann von Aue, der neben Gottfried von Straßburg und Wolfram von Eschenbach als einer der bedeutensten Epiker aus der Zeit der 'Mittelalterlichen Klassik' (um 1200) gilt.
Neben dem Erec, dem ersten Artusroman in deutscher Sprache, hat Hartmann den Artusroman Iwein, den Armen Heinrich, den Gregorius und das sog. Klagebüchlein verfasst. Zudem werden ihm 18 Töne* zugeschrieben.
Doch Hartmann ist uns nicht nur aus seinen eigenen Werken bekannt. Im sog. Literaturexkurs im Tristan Gottfrieds von Straßburg wird Hartmann besonders hervorgehoben:
Hartmann der Ouwaere,
âhî, wie der diu maere,
beide ûzen unde innen,
mit worten und mit sinnen,
durchverwet und durchzieret!
wie er mit rede figieret
der âventuire meine!
wie lûter unde wie reine
sîniu cristallînen wortelîn
beide sind und iemer müezen sîn!
(Tristan, V. 4621-4630)
Bei soviel Lob muss man eigentlich auch selbst einmal einen Blick in Hartmanns Werke werfen, von denen insbesondere der Erec und der Iwein auch einem modernen Publikum großen Unterhaltungswert bieten. Wer will nicht selbst erfahren, warum Erec sich andauernd verligt und vor lauter Liebe nicht mehr aus dem Bett kommt? Oder warum Iwein in allen Landen nur noch als der 'Löwenritter' bekannt ist? Vielleicht hat ja der ein oder andere von Euch Lust, sich demnächst selbst mit Hartmann auf aventîure zu begeben.
*Der Begriff Ton (mhd. dôn „Melodie“, von lat. tonus) steht in der mittelalterlichen deutschen Sangversdichtung für eine zugleich musikalische wie sprachliche Struktur: Der Ton bezeichnet neben der Melodie das Reimschema und den metrischen Bau oder, mit anderen Worten, die Strophenform. Der Terminus gilt daher für alle strophischen Melodien des deutschen Mittelalters (Minnesang, Sangspruchdichtung, strophische Epik, spätmittelalterliches Lied, Meistersang). Daneben existieren unstrophische Gattungen wie der Leich, deren melodische Einheiten nicht unter den Terminus Ton fallen. (Wikipedia)
Seite 21 von 31