Ihr glaubt, mittelalterlich zu kochen sei ein Spaziergang? Heiter und unbeschwert, mit Seidenkissen unterm zarten Maiengrün?
Wir möchten Euch natürlich davon überzeugen, dass spîse und tranc von anno dazumal auch heute noch ein schmackhaftes Mahl abgeben. Doch bei manchen Rezepten stoßen selbst wir an unsere Grenzen. Vor allem, wenn ein Gericht - wie das im heutigen Video - optisch eher an harnaschrâm (Rüstungsschmier) erinnert.

Konsultiert man mittelalterliche Rezeptsammlungen, wird deutlich, dass mitunter Zutaten ihren Weg in den Kochtopf fanden, deren Verzehr wir heute als ungewöhnlich oder vielleicht sogar als unangenehm empfinden würden. Beispielsweise gehackte Kalbslunge, die, mit Minze gewürzt, gebacken wurde. Oder der Kopf eines Bären: Um diesen für die Tafeln der Adligen zuzubereiten, sollte man ihn auf einem Rost gut durchbraten und gar wol mit gewurtz bestreuen.
Ein besondere Gaumenfreude gab es den Quellen zufolge für das weibliche Geschlecht: Wollte man ain frowen essen machen, bereitete man eine kräftige Brühe mit Ingwer und Safran zu - und schnitt gerösteten Kuheuter hinein.

In Heinrich Wittenwilers “Ring”, einer literarischen Kuriosität des Spätmittelalters, wirken weniger die Speisen als vielmehr die Speisenden ziemlich unästhetisch. Auf der Hochzeit von Bertschi Triefnas und Mätzli Rührenschwanz stürzen sich Fresser und Säufer auf das bereitgestellte Mahl wie die Säue auf den Trog; sie verspeisen ganze Käselaibe sampt den rinden, schöpfen das fette chraut mit bloßen Händen aus den Schüsseln und husten, was ihnen im Halse steckenbleibt, aufs Tischtuch. Damit parodiert die schwankähnliche Episode das gute Benehmen, das von mittelalterlichen Tischzuchten empfohlen wird.

Apropos gutes Benehmen: Ist Euch eigentlich die Märe vom ritter mit der halben birn bekannt, in der Ritter Arnold seiner Tischdame gegenüber einen unverzeihlichen Fehler begeht und dafür Hohn und Spott erntet? Nein? Na, dann aber schnell an die Bücher!

 

 

Neugierig geworden? Hier alle Angaben zum erwähnten mittelalterlichen Lesestoff:

  • Grubmüller, Klaus (Hrsg.): Novellistik des Mittelalters. Märendichtung. Frankfurt a. M. 1996 (Bibliothek des Mittelalters; 23).
  • Heinrich Wittenwiler: Der Ring. Nach dem Text von Edmund Wießner ins Neuhochdeutsche übersetzt und herausgegeben von Horst Brunner. Stuttgart 2007 (Reclams Universal-Bibliothek; 8749).
  • Münchner Kochbuchhandschriften aus dem 15. Jahrhundert. Cgm 349, 384, 467, 725, 811 und Clm 15632. Herausgegeben von Trude Ehlert u.a. Frankfurt a. M. 1999.

 

Angenehm zu lesende und gut geschriebene Forschungsliteratur zum Thema:

  • Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. 10. Auflage. München 2002. S. 274.