Im Mittelalter küsste man gerne süeze vrouwen, schmachtete beim sange süeze und hovebære, wenn die Angebetete die Gunst verweigerte -  und naschte gern von süezen spîsen. Natürlich keine unserer modernen Liebeskummer-Klassiker im engeren Sinne. Schokolade beispielsweise war in europäischen Gefilden zu dieser Zeit noch nicht bekannt. Eis dagegen - echtes Gletschereis, beträufelt mit Honig und garniert mit frischen Früchten - liebten schon Kaiser Nero in der Antike und später auch die Medicis.

Rezepte für süßes Backwerk wie die Krapfen, die in unserem Video brutzeln, finden sich in verschiedenen überlieferten Rezeptsammlungen. Die “Münchener Kochbuchhandschriften” etwa verzeichnen sowohl krapffen mit beren fül als auch Rezepte für Fettgebackenes, das zur Fastenzeit auf den Tisch kam.
Fettgebackenes zur Fastenzeit? Ein ziemlicher Widerspruch, werden viele Leser und Leserinnen ausrufen (während die Diätierenden vermutlich gerade der Zuckerschock trifft). Doch die christlichen Speisegebote betrafen vor allem den Genuss von Fleisch. Um sich den Verzicht zu versüßen und die Gäste an der Tafel zu schockieren, schufen die Köche sogenannte Scheingerichte: Fleischpasteten oder Würste, die sich bei näherer Betrachtung als Früchtekuchen oder mit Nüssen und Datteln gefüllte Krapfen entpuppten.

Die Vorliebe der Menschen für Naschwerk spiegelt sich auch in der mittelalterlichen Literatur wider. In Wolframs “Parzival” müssen die Bewohner der belagerten Stadt Pelrapeire hungern; es gibt weder kæse, vleisch noch prôt, geschweige denn, dass kraphen in der Pfanne zischen. Und in einigen Fassungen des “Nibelungenliedes” (Handschrift C) verspricht Küchenmeister Rumolt Hagen, Gunther und den anderen Burgunden leckere sniten in öl gebrouwen, wenn sie die gefährliche Reise ins Land der Hunnen nicht antreten und stattdessen zu Hause bleiben. Hätten sie mal auf ihn gehört...

 

 

Neugierig geworden? Hier alle Angaben zum erwähnten mittelalterlichen Lesestoff:

  • Münchner Kochbuchhandschriften aus dem 15. Jahrhundert. Cgm 349, 384, 467, 725, 811 und Clm 15632. Herausgegeben von Trude Ehlert u.a. Frankfurt a. M. 1999.
  • Das Nibelungenlied. Nach dem Text von Karl Bartsch und Helmut de Boor, ins Neuhochdeutsche übersetzt und kommentiert von Siegfried Grosse. Stuttgart 2010 (Reclams Universal-Bibliothek; 644).
  • Wolfram von Eschenbach: Parzival. Nach der Ausgabe Karl Lachmanns, revidiert und kommentiert von Eberhard Nellmann. Übertragen von Dieter Kühn. 2. Bde. Frankfurt am Main 2006 (Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch; 7).

Angenehm zu lesende und gut geschriebene Forschungsliteratur zum Thema:

  • Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. 10. Auflage. München 2002. S. 244f. und S. 271f..
  • Weber, Kristin: Wenn Schmalhans Küchenmeister ist. Fastenzeit und Fastentage. In: Karfunkel Küche im Mittelalter 4 (2011). S. 30-33.
  • Werner, Tanja von: Spezereien und Genussmittel. In: Karfunkel Küche im Mittelalter 1 (2007). S. 22ff.